Publikation „Krieg – Flucht – Frieden“

 

Das Thema 70 Jahre Kriegsende in unserer Gemeinde Nordkirchen liegt mir besonders am Herzen, da gerade auch in meiner Familie der 2. Weltkrieg schmerzhafte Spuren hinterlassen hat. Manches, was mit den Geschehnissen um 1945 in einem engeren oder weiteren Kontext verbunden ist, findet sich schon in einigen Geschichtsheften des Heimatvereins Nordkirchen wieder.

 

Meist beschränkt sich das Thema Kriegsende auf die Darstellung von militärischen, politischen, oder anderen übergeordneten Fragen. Die große Geschichte ist ja bekannt. Aber welche menschlichen Dimensionen verbergen sich hinter den nüchternen Fakten! Es geht um mehr als Rückzugsdaten, Einmarschtermine, Verlustquoten oder Angaben zu Versorgungsengpässen usw. Wird der Blick auf den kleinen Bereich der Gemeinde Nordkirchen oder sogar auf den einzelnen Menschen gerichtet, dann sieht man hinter den genannten Fakten auch persönliches Leid, Schuld, Mut oder Solidarität. Die Trauer über den Verlust steht neben der Freude über das Leben.

 

Das individuell menschliche und lokale Schicksal steht im Mittelpunkt – und das ist das Thema des neuen Buches „Krieg – Flucht – Frieden“  vom Heimatverein Nordkirchen.

 

Das Eintreffen amerikanischer Truppen in der Gemeinde Nordkirchen am Karfreitag 1945 wird hier in einer persönlich erlebten Perspektive wahrgenommen. Lebenswege einzelner Personen enthalten Züge, die sich in anderen Leben variiert auch finden lassen: Zivilisten fliehen im Krieg, Soldaten fliehen auf einem Rückzug. Fliegerangriffe werden als permanente Bedrohung erfahren. Der Zustrom von Vertriebenen und Flüchtlingen sowie das Schicksal der Gefallenen betreffen jeden. Das Verstecken verfolgter jüdischer Mitmenschen in unserer Gemeinde wird am Beispiel der Familie Spiegel gezeigt. Die Schicksale der Soldaten, die in Kriegsgefangenschaft geraten sind und erst Jahre später die Heimat wieder sahen, sind hier nur beispielhaft erwähnt worden.

 

Gab es im 1. Weltkrieg noch eine Trennung von Front und nicht umkämpften Gebiet, so wird - auch in der regionalen Perspektive der Nordkirchener Geschichte - der 2. Weltkrieg durch den Luftkrieg spätestens ab 1944 als allgegenwärtig erlebt; zwischen Front und Heimat verschwindet zunehmend der Unterschied. Zugleich ist dieser Krieg auch in unserer Gemeinde gekennzeichnet durch die Anwesenheit von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern - daraus resultierende Schicksale sind hier aufgeführt.

 

Das Kriegsende wird in einigen authentischen Berichten von Menschen aus den 3 Ortsteilen der Gemeinde Nordkirchen sehr detailliert beschrieben. Angst und Schrecken – aber auch Hoffnung auf eine friedliche Zeit - spiegeln sich in den niedergeschrieben Erinnerungen wieder.   

 

Auch nach dem offiziellen Kriegsende gab es eine Grauzone von gleichzeitigem Besatzungsrecht, Faustrecht und allgemeiner Unordnung. Ein normaler Alltag trat nur langsam ein. Das zeigen Schilderungen von Situationen, die jeden Tag neu bewältigt werden mussten.

 

Das Buch ist in neun Kapiteln unterteilt. Ergreifend die Einzelschicksale von Soldaten an Hand von Beispielen, bewegend die drei Berichte von Vertriebenen unter „Flucht und Vertreibung“ – unfassbare schreckliche unauslösliche Erinnerungen für viele Menschen, die hier bei uns Zuflucht und eine neue Heimat gefunden haben. Im letzten Kapitel erstmalig eine detaillierte Übersicht der über 430 Gefallenen aus unserer Gemeinde mit vielen weiteren Informationen über das Sterben an der Front oder auch in fremden Ländern. Wie muss es Eltern ergangen sein, nicht zu wissen, wo der Sohn gefallen ist und nur die eine Mitteilung bekommen haben: Ihr Sohn ist vermisst!  

 

Alleine der eine Satz in dem Buch „Man stelle sich die Familie Kampschulte aus Capelle vor, die Eltern verloren ihre 4 Söhne im 2. Weltkrieg, es waren Bernhard 30 Jahre, Wilhelm 26 Jahre, Hugo 23 Jahre und Josef 19 Jahre“ ist erschütternd und man kann sich das Leid in den Familien gar nicht vorstellen.

Das Buch sollte jeder aus unserer Gemeinde gelesen haben – die Jungen zur Mahnung, die  Alten zur Erinnerung an diese traurige Zeit. Die Wertschätzung unserer Freiheit und des Friedens sollte bei jedem Menschen mit das Höchste Gut bedeuten.             

Man kann nur hoffen, dass der Mensch aus der Vergangenheit lernt. Aufgrund der vielen Kriege und Konflikte auf der Welt - auch 70 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges  - bin ich mir dabei allerdings nicht sicher.

 

Die Publikation in DIN A4. 220 Seiten in Hardcover und kostet 12,50 Euro. Sie ist erhältlich im Buchladen „Miss Marples“,  beim Heimatverein sowie bei allen Volksbanken- und Sparkassen-Filialen in den 3 Ortsteilen Capelle, Nordkirchen und Südkirchen.

 

 

Hubert Kersting, 01.09.2015